Videoclip der Gängeviertel Genossenschaft von David Aufdembrinke.

     

Gängeviertel-Genossenschaft plant Kooperation mit Stiftung trias

25. Oktober 2013

Positionspapier zum Sanierungsbeginn des Gängeviertels

Endlich hat die Sanierung des Gängeviertels begonnen! Das ist ein wichtiger Schritt, über den wir uns freuen. Den Sanierungsbeginn nehmen wir aber auch zum Anlass um den bisherigen Prozess zu reflektieren und kritisch in die Zukunft zu blicken. Dabei wird deutlich: So wie bisher kann es nicht weiter gehen.

Gängeviertel Bauschild

Vor mehr als vier Jahren haben wir, die Initiative „Komm in die Gänge“, das Gängeviertel gerettet. Wir haben den langjährigen Leerstand der zwölf historischen Häuser beendet und es zu einem lebendigen Möglichkeitsraum im Herzen Hamburgs gemacht. Wir haben in ehrenamtlicher Arbeit einen Ort geschaffen, an dem Kultur für alle zugänglich ist. Nach fast einjähriger Verzögerung beginnt nun endlich die Sanierung der Häuser. Ein wichtiger Schritt, für den wir lange gekämpft haben! Für uns aber auch die Zeit um Defizite im „gemeinsamen Prozess“ zu thematisieren.

 

Der kooperative Weg?
Kooperation ist ein gewichtiges Wort. Wir haben uns darunter etwas anderes vorgestellt und uns mehr versprochen, als wir im September 2011 mit der Stadt Hamburg eine Kooperationsvereinbarung unterschrieben haben. Was ist geworden aus dem Übereinkommen, gemeinsam neue Wege zu suchen, zu finden und zu gehen? Wenig. Seit die steg von der Stadt als Treuhänderin und Sanierungsträgerin eingesetzt wurde, haben kaum mehr Gespräche mit der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt stattgefunden. Wir haben dringenden Redebedarf.


Modellprojekt oder 0815-Sanierung?
Wir haben so viele kompetente Partner, die – so scheint es – weit hinter ihrem Können zurück bleiben. Zu oft wird auf Standards zurückgegriffen, statt nach Lösungen zu suchen, die diesem Ort und den hier agierenden Menschen angemessen wären. So gehen der Geist, die Inspiration, die Sensibilität und die Sinnlichkeit für diesen Ort verloren. Mit dem Verweis auf die Einhaltung von Zeit- und Kostenplänen werden für uns relevante Sanierungsziele vom Tisch gewischt. Andererseits werden schon jetzt eingetretene Bauverzögerung in Kauf genommen, die zu Kostensteigerungen und noch mehr Druck führen. Das passt nicht zusammen.


Und wo bleibt der Denkmalschutz?
Für uns stellt sich die Frage, wie die Sanierung der folgenden Häuser aussehen soll. Gerade bei komplexen Bauabschnitten wie der Schier‘s Passage ist es unbedingt nötig, neue Wege im Denken und Handeln zu beschreiten. Wird hier zum Beispiel die übliche Schwammsanierung angewendet, bleiben von der Bausubstanz und der Geschichte, die sie zu erzählen vermag, kaum etwas erhalten. Wird hier wie herkömmlich Außendämmung aufgebracht, verschwinden die Klinkerfassaden mit ihrer Schönheit und Patina. Wenn wir das akzeptieren, hätten wir es uns damals sparen können die Häuser vor dem Abriss zu bewahren. Und all den Hamburgerinnen und Hamburgern, die uns dabei tatkräftig unterstützt haben, würde vor den Kopf gestoßen werden. Auch der Sanierungsbeirat des Gängeviertels erwartet eine stärkere Berücksichtigung des Denkmalschutzes.


Nachhaltigkeit als Ziel
Wir wollen die Häuser nach der Sanierung weiterhin selbst verwalten. Dafür haben wir die Gängeviertel Genossenschaft 2010 eG gegründet. Viele Unterstützer haben bereits Anteile gezeichnet. Ihnen gegenüber stehen wir in besonderem Maße in der Pflicht, das Gängeviertel als lebendigen Ort für Kunst, Kultur und soziale Projekte zu sichern. Gerade deshalb ist uns an nachhaltigen und sozial verträglichen Lösungen gelegen. Das schließt ein hohes Maß an Kostenbewusstsein mit ein. Dennoch akzeptieren wir nicht, dass mit dem Totschlagargument der Kostendeckelung die Sanierung des Gängeviertels im Standard des Üblichen stecken bleibt. Wir haben auf eigene Kosten mit externen Fachleuten alternative Lösungsmöglichkeiten erarbeitet. Wir haben gemeinsam mit dem Architekten Joachim Reinig (Plan R) Bausymposien veranstaltet, um Alternativen zum Standard zu finden. Die Ergebnisse müssen die Chance bekommen, Anwendung zu finden. Für uns ist Nachhaltigkeit ein umfassender Wert, der über den Selbstzweck rechnerischer Nachweise hinaus geht.


Partizipation ist machbar!

Beim bisherigen Prozesses wurde das Ziel einer Zusammenarbeit auf Augenhöhe aus unserer Sicht verfehlt. Die erhoffte Kooperation ist zu einem paternalistischen Verfahren mutiert. So droht nun auch im Gängeviertel ein übliches Top-Down-Verfahren, das keine Sensibilität für die Besonderheiten des Ortes und für die ehrenamtliche Beteiligung zeigt.

Die Außendarstellung und die Kommunikation über die offiziellen Kanäle der Stadt stellt die Besonderheit dieses Bauvorhabens heraus, lässt aber das langjährige Engagement der Initiative „Komm in die Gänge“ nahezu unerwähnt oder vereinnahmt dieses für die eigenen Zwecke. Uns stellt sich die Frage, ob die Politik dieser Stadt seit dem Regierungswechsel unser damaliges Ziel einer gemeinsamen Entwicklung des Gängeviertels vor allem unter Berücksichtigung der besonderen Gegebenheiten und des Denkmalschutzes überhaupt zulassen will.

Wollen wir sozialverträglichen Wohn- und Arbeitsraum in der Stadt schaffen, brauchen wir das Engagement und die Selbstgestaltungskräfte all jener, die sich in Genossenschaften, Baugemeinschaften und anderen Formen selbstverwalteter Projekte organisieren und die nachhaltige Formen des Zusammenlebens verwirklichen. Dazu müssen Verfahren entwickelt werden, die Bürgerinnen und Bürger als aktive Partner unterstützen, ob in St.Pauli, Wilhelmsburg oder anderen Stadteilen. Die Chance muss ergriffen werden, mit dem Gängeviertel ein kooperatives Projekt zu realisieren, welches auch in der Sanierungsphase mit innovativen Schritten den Weg in die Zukunft wagt, das Experimente zulässt, Alternativen erforscht und das sich nicht primär an Vorschriften, sondern am Menschen orientiert.


Zum Abschluss zwei Veranstaltungs-Ankündigungen
Zum „Sahnetortenfest“ am 3. November 2013 möchten wir alle Interessierten und Nachbarn schon jetzt einladen, um dort eine andere Form von Beteiligungsverfahren kennen zu lernen. Zugrunde liegt das Projekt JA NEIN VIELLEICHT, eine Kooperation mit der (jetzigen) 4b der Rudolf-Ross-Grundschule, dem Fundus Theater und der HafenCity-Universität. In einem halbjährigen Arbeitsprozess haben die Kinder das Gängeviertel erkundet und anhand von Modellbaukästen Ideen und Vorschläge für eine kinderattraktive Freiflächengestaltung produziert.

Das dritte Bausymposium des Gängeviertels wird voraussichtlich am 21. November 2013 zum Thema Freiraumkonzept stattfinden. Am Vormittag werden die aktuellen Planungsstände vorgestellt und am Nachmittag in moderierten Workshops weiterentwickelt. Die Bausymposien des Gängeviertels schaffen einen Rahmen zur fachlichen und inhaltlichen Auseinandersetzung mit Fragen der Sanierung des Gängeviertels. Sie richten sich an Baubeteiligte aus dem Gängeviertel, an Behörden und Fachämter, Eigentümer, Planer und Ingenieure und an die fachinteressierte Öffentlichkeit.

Das Gängeviertel, Oktober 2013