Videoclip der Gängeviertel Genossenschaft von David Aufdembrinke.

     

Gängeviertel-Genossenschaft plant Kooperation mit Stiftung trias

03. April 2015

Roter Teppich für’s Gängeviertel

Erklärung der fux eG zu den aktuellen Auseinandersetzungen zwischen Stadt und Initiative

Im August 2009 haben über 200 Aktivistinnen und Aktivisten die 12 historischen Gängeviertel-Häuser besetzt, um zu verhindern, dass in Hamburg einmal mehr ein Kleinod abgerissen wird und statt seiner der immer gleiche öde Mix aus Shopping-Malls und Bürolofts mit musealisierter Fassade entsteht. Diese Besetzung war mutig und hat viele Menschen in Hamburg und anderswo motiviert, für ihr Recht auf eine andere Stadt zu kämpfen. Weil die Aktion auch noch extrem populär wurde, konnten die „Komm in die Gänge“-Leute genügend öffentlichen Druck aufbauen, bis die Stadt das an einen Finanzinvestor verscherbelte Areal zurückkaufte. Über die ehrenamtliche Knochenarbeit hinaus, die die Gänge-Aktivistinnen und Aktivisten in die Reparatur und Winterfestmachung der Gebäude, die die Stadt Hamburg hat verwahrlosen lassen, gesteckt haben, saßen sie auch noch in endlosen Verhandlungsrunden, um ihren Gesprächspartnern von Finanz- über Kultur- bis zur Baubehörde und Bezirk klar zu machen, dass ein so einmaliges Amalgam aus künstlerischen, politischen und sozialen Projekten, wie es in den Monaten nach der Besetzung entstanden ist, nicht nach Behördenschema F saniert und verwaltet werden kann. Nach der Unterzeichnung des „Kooperationsvertrags“ im September 2011 sah es so aus, als wäre die Mühe nicht umsonst gewesen. Denn in dem Vertrag sicherte die Stadt dem Besetzer-Kollektiv zu, Ziel einer Sanierung sei die „Übernahme durch die Genossenschaft“ des Gängeviertels – durch Kauf oder Erbpacht.

 

Nach allem was wir hören, ist aber nichts dergleichen der Fall. Die beteiligten Behörden und der von der Stadt eingesetzte private Sanierungsträger Steg arbeiten nicht nur nicht auf eine Übernahme durch das Gänge-Kollektiv hin, sondern versuchen, die Besetzer auszubooten. Wie sonst soll man es verstehen, dass die Behörden hinter ihrem Rücken einen Modernisierungsvertrag schließen, in dem die Genossenschaft explizit keine Rolle mehr spielt? Mit der Steg als Treuhandverwalter der Gänge-Immobilien hat man sowieso den Bock zum Gärtner gemacht. Für die ehemals städtische und 2003 privatisierte Sanierungsgesellschaft wäre es ein schlechtes Geschäft, wenn sie sich mit einer vertrauensvollen Kooperation und schließlich der Übergabe an die Besetzer (denen sie diesen Millionenauftrag verdankt) überflüssig machte. Am besten läuft der Hase für die Steg, wenn sie den Behörden möglichst wenig Arbeit bereitet und die Besetzer von den wichtigen Entscheidungen fernhält. Nicht ohne Grund lautete in den Stadtteilkämpfen der Neunziger die Parole: Kein Weg mit der Steg!

 

Wir, die fux-Genossenschaft, die im Februar die ehemalige Viktoria-Kaserne in Altona von der Stadt gekauft haben, haben viel gelernt von den Auseinandersetzungen um das Gängeviertel. Leerstand, fehlende Instandhaltung, Sanierungsstau: Wie im Gängeviertel kann man auch in unserer Ex-Kaserne begutachten, wie wurstig die Stadt mit öffentlichem Eigentum umgegangen ist. Wie die Gängeviertel-Aktiven haben auch wir in den Amtsstuben zu spüren bekommen, dass unser Engagement lästig ist, weil es Arbeit macht. Uns war schnell klar, dass wir verraten und verloren sind, wenn wir uns von der Stadt entwickeln lassen. Dass es auf städtischer Seite weder den politischen Willen noch das Personal gibt, ein solches Projekt kompetent und solidarisch zu begleiten. Dass wir uns selbst zu Immobilien- und Sanierungsprofis mausern müssen, um ein Haus mit bezahlbaren Gewerbe- und Ateliermieten, mit kulturellen und kommunalen Projekten nach unseren Vorstellungen realisieren zu können.

 

Für das Gängeviertel-Kollektiv dagegen war eine der entscheidenden Forderungen: Die Stadt muss Verantwortung für die Häuser übernehmen. Na klar, das war aus der Not geboren – das Geld für eine Übernahme des Viertel als Genossenschaft war nicht so schnell aufzutreiben. Aber es war auch eine konkrete Utopie: Man wollte nicht nur das Viertel retten, nutzen und zu einem ganz besonderen Ort machen. Man wollte auch den politischen Umgang mit solchen Orten verändern. „Komm in die Gänge!“ war auch die Aufforderung an das politische und behördliche Personal dieser Stadt, sich auf eine andere Art der Stadtentwicklung einzustellen. Eine, die nicht tabula rasa macht und immer bloß aufwerten will. Eine, die kapiert, dass die Stadt auch zugängliche Orte für arme Schlucker braucht, egal ob sie Künstler sind oder was anderes. Eine, die selbstverwalteten Strukturen auf die Beine hilft, statt sie abzubügeln.

 

Falls jemand auf die Idee kommen sollte: fux und Gängeviertel lassen sich nicht gegeneinander ausspielen. Wir sind die beiden Flügel desselben Vogels. Wir, die fux eG, haben unsere Problemimmobilie gekauft, die Gänge-Initiative versucht es vorläufig via Kooperation mit dem städtischen Eigentümer. Beide Projekte laborieren an der identischen Frage: Was muss man aufbringen, um Häuser einem lustlosen und kommerzialisierten Umgang durch die neoliberale Stadt und ihre Statthalter zu entreißen? Wie geht kollektives Eigentum?

 

Wir finden: Der Senat und sämtliche seiner Behörden hätten allen Grund, den Besetzerinnen und Besetzern des Gängeviertels den roten Teppich auszurollen. Abertausende von unbezahlten Arbeitsstunden haben sie in die Rettung des Areals investiert. Es wäre nur recht und billig, wenn sich die Stadt an ihre Absichtserklärung halten würde, die Verwaltung an die Leute zu übergeben, die es gerettet haben und die sich mit ihrem jahrelangen Einsatz längst ein Recht darauf verdient haben.