Videoclip der Gängeviertel Genossenschaft von David Aufdembrinke.

     

Gängeviertel-Genossenschaft plant Kooperation mit Stiftung trias

25. Februar 2015

Stellungnahme/Aktuelle Hintergrundinfos

Anlässlich der aktuellen Berichtererstattung (siehe Pressespiegel weiter unten) möchten wir ein paar Dinge klarstellen, die das bisherige Kooperationsverfahren betreffen und die in den Medien mitunter falsch oder missverständlich dargestellt werden – ist ja auch alles kompliziert.

Eins vorneweg: Für uns ist es nicht verhandelbar, dass das Gängeviertel auch nach der Sanierung von den Menschen verwaltet wird, die hier wohnen, arbeiten und tätig sind und dass das Gängeviertel ein urbaner Ort bleibt. Selbstverwaltung ist für uns die zentrale Motivation für unser ehrenamtliches Engagement und Voraussetzung, dass das Gängeviertel als urbaner Ort gelebt wird. In Selbstverwaltung können wir Nutzungskonflikte besser bewältigen. Das ist ganz besonders beim Gängeviertel relevant, denn die Umsetzung des Nutzungskonzepts (http://gaengeviertel-eg.de/uploads/media/Konzept_Gaengeviertel_01.pdf) bedeutet, dass auf engstem Raum gewohnt und gearbeitet wird und ein intensiver Kulturbetrieb läuft – gelebte Urbanität soll im Gängeviertel Alltag bleiben, auch nach der Sanierung! Das haben wir von Beginn an gegenüber der Stadt deutlich gemacht. In diesem Sinne wurde auch die Kooperationsvereinbarung (http://das-gaengeviertel.info/uploads/media/Kooperationsvereinbarung.pdf) abgeschlossen, die Grundlage der Kooperation und Sanierung ist.

 

Sanierungskosten

Die Finanzierung der Sanierungskosten setzt sich wie folgt zusammen:

Grundlage der Kosten- und Finanzierungsaufstellung ist das Integrierte Entwicklungskonzept Gängeviertel (IEK, dms.das-gaengeviertel.info/DMSEV/download.php, dass von der FHH, steg und dem Gängeviertel 2010 auf Basis unseres Nutzungskonzeptes erarbeitet wurde.

Die FHH investiert das Geld in ihren eigenen Gebäudebestand, nachdem sie das Gängeviertel über Jahrzehnte hinweg nicht mehr instandgehalten hat und verfallen ließ – trotz Denkmalschutz! Wir vermuten, dass über Jahre hinweg auch die Instandhaltungspauschalen, die die früheren Mieter_innen mit der Miete gezahlt haben, nicht reinvestiert wurden. Anders ist der Sanierungsstau und der dadurch verursachte desolate Gebäudezustand kaum zu erklären.

Von den aufgelisteten Geldern fließt nichts an den Gängeviertel e.V. und die Gängeviertel Genossenschaft 2010 eG, diese arbeiten ehrenamtlich. Deren Arbeit umfasst den Aufbau der Genossenschaft, die Vereinsarbeit, das Kulturprogramm, den Erhalt der noch nicht sanierten Gebäude, die Arbeit in der Baukommission und in den Verhandlungen mit der Stadt, Eigenleistungen bei der Sanierung, die mittlerweile beendete Arbeit im Sanierungsbeirat (siehe dazu: das-gaengeviertel.info/neues/details/article/planungsstop-im-gaengeviertel.html) uvm. 

 

Mehrkosten

Mehrkosten, die nicht anderweitig kompensiert werden können, werden durch weitere Kredite abgedeckt. Es ist nicht im Interesse des Gängeviertels, dass die Sanierungskosten steigen. Im Gegenteil: da wir die Gebäude einmal selbst verwalten werden, ist es in unserem Interesse, dass sie mit möglichst wenigen Krediten belastet sind. Ansonsten ist unser soziokulurelles Konzept nicht umsetzbar. Daher versuchen wir nach Möglichkeit Eigenleistung in die Sanierung einzubringen. Leider wird uns das in vielen Fällen von der steg mit Verweis auf Gewährleistungsverpflichtungen nicht ermöglicht.

Wir wollen nicht, dass Wände und andere Bauteile gestrichen werden, denn wir wollen den historischen Charm der Oberflächen erhalten. Bei Bedarf können Bewohner_innen auch selbst streichen. Dadurch tragen wir dazu bei, die Baukosten zu senken. Des Weiteren erbringen wir Eigenleistungen im Sanierungsprozess um den Denkmalwert zu erhöhen. Organisiert durch den Gängeviertel e.V. und die Gängeviertel Genossenschaft 2010 eG werden historische Bauteile ausgebaut, eingelagert und aufgearbeitet um sie nach der Sanierung wieder verwenden zu können. Ansonsten würden sie im Müll landen.

 

Öffentlich geförderter Wohnungsbau

Im Gängeviertel entsteht ausschließlich öffentlich geförderter Wohnungsbau (sog. „Sozialwohnungen“). Das war von Beginn an eine Forderung der Initiative „Komm in die Gänge“ und ist im IEK und in der Kooperationsvereinbarung festgeschrieben. Die Kooperationsvereinbarung wurde 2011 zwischen FHH und Gängeviertel geschlossen.

Für die Wohnungen im Gängeviertel gilt eine gesetzlich festgeschriebene Mietpreisbindung von 5,45 EUR/qm mitsamt einer Staffelerhöhung auf 8,80 EUR/qm innerhalb von 21 Jahren. Es dürfen keine Mietpreisaufschläge verlangt werden.

Wer in öffentlich geförderte Wohnungen einziehen will, braucht einen Wohnberechtigungsschein (WBS) (https://www.hamburg.de/behoerdenfinder/hamburg/11268748). Dieser wird ausschließlich von den Bezirksämtern ausgestellt. Das gilt auch für die Wohnungen im Gängeviertel.

 

Belegung der Wohnungen

Das Vorgehen zur Belegung der Wohnungen ist im IEK und in der Kooperationsvereinbarung geregelt. Demnach entscheidet eine Belegungskommission mit Vertreter_innen der FHH und des Gängeviertels über die Auswahl der Bewerber_innen. Das Gängeviertel hat ein Vorschlagsrecht. Wir haben uns mit der FHH darauf verständigt, dass für die Wohnungen des ersten Bauabschnitts vorrangig Bewerber_innen vorgeschlagen werden, die sich in der Vergangenheit ehrenamtlich im Gängeviertel engagiert haben. Alle weiteren Wohnungen werden auch mit Menschen belegt, die sich bisher nicht im Gängeviertel eingebracht haben. Hintergrund dieser Verabredung: Das Gängeviertel als Ort für Kunst, Kultur und Soziales basiert auf dem ehrenamtlichen Engagement der Menschen vor Ort. Das gilt vor allem auch für den Betrieb der Fabrique als soziokulturelles Zentrum. Anhand dieser Kriterien wurde das bereits fertig gestellte Kupferdiebehaus belegt.

 

Besitzverhältnisse

Das Gängeviertel gehört der FHH. Sie hat das Privatunternehmen „steg – Stadterneuerungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH“ (www.steg-hamburg.de) als Treuhänderin und Sanierungsträgerin beauftragt. Die steg soll das Gängeviertel innerhalb von 8 Jahren in Zusammenarbeit mit der Gängeviertel Genossenschaft 2010 eG (www.gaengeviertel-eg.de) und dem Gängeviertel e.V. (www.das-gaengeviertel.info) sanieren. Des Weiteren ist laut Kooperationsvereinbarung vorgesehen, dass das Gängeviertel bis zum Abschluss der Sanierung im Treuhandvermögen der steg verbleibt. Einzelne Häuser können nach ihrer Sanierung von der Gängeviertel Genossenschaft 2010 eG übernommen werden oder als „Gesamtpaket“ nach der Sanierung des gesamten Viertels übergeben werden. Laut Kooperationsvereinbarung kommen dazu Kauf-, Erbpacht- oder Mietmodelle in Betracht. Die Konditionen und Preise stehen allerdings noch nicht fest und müssen noch ausgehandelt werden.

Um das notwendige Eigenkapital zur Übernahme der sanierten Gebäude aufzubauen, ist die Gängeviertel Genossenschaft 2010 eG auf Mitglieder angewiesen, die Anteile zeichnen, obwohl sie keine Flächen im Gängeviertel direkt nutzen möchten, sondern weil sie das Gängeviertel als nicht-kommerziellen Ort für Kunst, Kultur und Soziales erhalten wollen. Unterstützt wird sie dabei unter anderem auch von namhaften Hamburger Kulturschaffenden, z.B. dem Konzertveranstalter Karsten Jahnke und dem Generalintendanten der Elbphilharmonie Christoph Lieben-Seutter.

Wir wollten bisher immer, dass das Gängeviertel im öffentlichen Besitz bleibt, denn wir sind gegen die Privatisierung öffentlichen Eingentums. Wie der bisherige Kooperations- und Sanierungsprozess zeigt ist es anscheinend nicht möglich, in Kooperation mit der FHH und der steg das Gängeviertel als selbstverwalteten(!) Ort für Kunst, Kultur und Soziales in öffentlicher Hand zu entwickeln.

 

Selbstverwaltung

Das Ziel der Selbstverwaltung des Gängeviertels durch die Gängeviertel Genossenschaft 2010 eG in Zusammenarbeit mit dem Gängeviertel e.V. ist im IEK und in der Kooperationsvereinbarung vereinbart. Wie bei Wohnungsbaugenossenschaften ist es vorgesehen, dass Mieter_innen anteilig an der genutzten Fläche Genossenschaftsanteile zeichnen. Im Gängeviertel müssen pro 10 qm Fläche 1 Anteil gezeichnet werden. Ein Anteil ist 500,- EUR wert. Genossenschaftsanteile können nach Auszug wieder zurückgegeben werden. In diesem Fall wird die gesamte Summe zurückgegeben (www.gaengeviertel-eg.de/wir-ueber-uns/satzung.html). Für Empfänger_innen von Arbeitslosengald II („Harz IV“) übernehmen auf Antrag die Jobcenter die anfallenden Kosten für Genossenschaftsanteile.

Weil die fertig gestellten Gebäude erst nach ihrer Sanierung an die Gängeviertel Genossenschaft 2010 eG übergeben werden sollen, ist es für die Selbstverwaltung essentiell, dass die Mieter_innen im Mietvertrag dazu verpflichtet werden, die notwendigen Anteile zu zeichnen („Genossenschaftsanbindung“) – wie bei sehr vielen Wohnungsbaugenossenschaften üblich.

 

Modernisierungsvertrag

Modernisierungsverträge sind die Grundlage damit die IFB Fördergelder vergeben kann. Für den ersten Bauabschnitt im Gängeviertel hat die steg mit der IFB im November 2014 Modernisierungsverträge geschlossen. Darin sind auch Regelungen zur Belegung und Untervermietung der geförderten Wohnungen festgeschrieben. Laut den Modernisierungsverträgen sind Untervermietungen ausgeschlossen und zur Nachbelegung freigewordener Wohnungen ist ausschließlich die steg berechtigt. Das widerspricht den im IEK und in der Kooperationsvereinbarung getroffenen Vereinbarungen.

Eine weitere Belastung des Kooperationsverhältnisses ist die Tatsache, dass die Inhalte der Modernisierungsverträge dem Gängeviertel verschwiegen wurden, obwohl wir zur Zeit der Vertragsabschlüsse in Verhandlungen mit der steg und der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) um eine Lösung für die Selbstverwaltung waren. In einer juristischen Stellungnahme vom Februar 2015 bezieht sich die BSU auf die abgeschlossenen Modernisierungsverträge. Darin begründet sie, dass unter anderem wegen der bereits geschossenen Modernisierungsverträge eine „Genossenschaftsbindung“ in den Mietverträgen nicht möglich sei.

 

Genossenschaftsmodell

Als Rechtsform erlauben Genossenschaften ihren Mitgliedern verbindliche Mitbestimmung und Mitgestaltung. Genossenschaften haben eine basisdemokratische Struktur. Jedes Mitglied hat eine Stimme, unabhängig von der Anzahl seiner Anteile. Des Weiteren muss das Handeln von Genossenschaften an erster Stelle ihren Mitgliedern dienen. Genossenschaften sind nicht darauf ausgerichtet, Gewinne zu erzielen. Überschüsse bekommen die Mitglieder vergütet oder sie werden zum Wohle der Genossen angelegt oder reinvestiert.

Daher haben Genossenschaften im Vergleich zum Durchschnitt aller Rechtsformen ein deutlich geringeres Insolvenzrisiko (vgl. Johannes Blome-Drees: „Wirtschaftliche Nachhaltigkeit statt Shareholder Value – Das genossenschaftliche Geschäftsmodell. WISO Direkt, März 2012, Friedrich Ebert Stiftung“). Weitere Gründe sind der geringere Profitdruck und damit verbunden die nachhaltigere Orientierung und der gute Zugang zu Eigenkapital (über die Beteiligungen der Mitglieder). Die Mitglieder von Genossenschaften können kontrollieren, was die Genossenschaft tut. Sie wählen einen Aufsichtsrat, der die Geschäftsführung (den Vorstand) kontrolliert. Genossenschaften sind zudem zu regelmäßigen externen Prüfungen durch einen unabhängigen Prüfungsverband verpflichtet. Genossenschaften sind weitgehend resistent gegen Schwankungen an den Finanzmärkten, denn die Anteile an Genossenschaften sind nicht handelbar. Dadurch ist ausgeschlossen, dass sie auf Basis spekulierter Kursentwicklungen gehandelt werden.

Des Weiteren muss das Handeln von Genossenschaften ihrem Satzungszweck entsprechen. In der Präambel der Satzung der Gängeviertel Genossenschaft 2010 eG heißt es:

Offenheit ist ein zentraler Bestandteil von einem lebhaften innerstädtischen Quartier. Denn Stadt lebt nicht durch Grenzen und Ausschluss, sie lebt von Beteiligung und Bewegung. Stadträume brauchen Freiräume. Für kulturelle und soziale Entfaltung, für neue Stadt- und Lebenswirklichkeiten. Für Menschen, die miteinander leben und arbeiten wollen. Hierfür wird das Gängeviertel eine Plattform sein, ein Ausgangspunkt für ein anderes Verständnis von Stadt. Vereinzelung und Verwertungsdruck setzt die Initiative ‚Komm in die Gänge’ eine kollektive Idee entgegen, die auf gegenseitiger Unterstützung beruht und sich selbst tragen wird. Kultur, soziales Engagement und Leben sind für uns nicht getrennt voneinander denkbar. Die Bedingungen, die uns dies ermöglichen, wollen wir schaffen und langfristig erhalten – sozial, kulturell, räumlich und ökonomisch. Die aus diesen Überlegungen heraus entwickelte ‚Gängeviertel eG’ verfolgt den Zweck die historischen Gebäude des ‚Gängeviertels’ instand zu setzen, zu erhalten, zu versorgen und zu sichern um dadurch lebenswerten, preisgünstigen Wohn- Arbeits- und Lebensraum in der Hamburger Innenstadt zu schaffen.“

 

Pressespiegel

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